Das Grubenhausprojekt

Eine erste Bilanz

Projektbeschreibung

Innerhalb der Siedlungsarchäologie des Früh- und Hochmittelalters gelten Grubenhäuser aufgrund ihrer namensgebenden Konstruktionsweise zu den am besten nachgewiesenen Haustypen. Nichtsdestotrotz existiert zur tatsächlichen Funktion und Nutzung dieser Häuser noch ein großes Forschungsdefizit. Vergleichbares kann über einzelne bauliche Details wie die tatsächliche Grubentiefe, Eingangssituationen oder auch Wandhöhen gesagt werden. Das Experimental-archäologische Freilichtlabor Lauresham bietet hier überaus gute Voraussetzungen für die Untersuchung eben dieses Forschungsdesiderates. Neben der traditionellen Auswertung des siedlungsarchäologischen Grabungsmaterials besteht im Freilichtlabor zudem die Möglichkeit, Hypothesen zu einzelnen Hausbefunden anhand von Konstruktionen im Maßstab 1:1 zu überprüfen und in experimentalarchäologischen Versuchsreihen zu erforschen. Analysen zum tatsächlichen Raumklima in den Häusern (Luftfeuchtigkeit, Temperatur) stellen neben Experimenten zur Werkzeugtechnik und den verwendeten Baumaterialien (Lehm, Reet, Stroh, Holz) wichtige Begleitfaktoren dieses Forschungsprojektes dar. Zuletzt ist zu erwarten, dass auch in einer Langzeitperspektive wichtige Erkenntnisse zu erwarten sind, so beispielsweise zur Lebensdauer und dem Verfall der Grubenhauskonstruktionen.

Erste Versuche in der Saison 2016

2016 wurde zwischen Januar und Oktober nun ein erster Hausbefund auf dem Laureshamgelände konstruiert. Es handelt sich dabei um ein Sechspfostengrubenhaus des 7. Jahrhunderts aus der Grabung Mannheim Vogelstang „Hinter der Nachtweide“. Die Wahl fiel auf dieses Gebäude, da der Grabungsbefund sowohl Aussagen zum verwendeten Konstruktionsholz als auch zur Eingangssituation möglich gemacht hat. So konnten bei den Ausgrabungen nicht nur Pfostenlöcher, sondern auch Pfostenspuren freigelegt werden. Es war gut erkennbar, dass es sich bei zumindest einem der Eckpfosten um ein Kantholz gehandelt haben muss und somit gerade nicht um einen naturbelassenen Stamm. Zudem erfolgte der Eingang über einen offenbar lehmverkleideten Zugang (womöglich eine Treppe) von außen.

Für den Bau wurden im winterlichen Lorscher Wald insgesamt vier Traubeneichen und Kiefern gefällt. Eine erste Bearbeitung des Holzes erfolgte bereits im Wald mit entsprechend rekonstruierten Äxten und Beilen. Schließlich kamen auch die beiden Laureshamochsen David und Darius zum Einsatz, welche die Stämme aus dem Wald zogen.

In Lauresham wurde in der Folgezeit durch das lettische Handwerkerteam um Janis Kondrats der Rohbau des Gebäudes fertiggestellt, wobei parallel hierzu durch das Laureshamteam die Baugrube ausgehoben wurde. Letzteres erfolgte – mitunter mühsam -  durch den Einsatz von rekonstruierten frühmittelalterlichen Spaten mit eisernem Pfostenschuh. In dieser Bauphase kam auch die Replik eines auf dem Klostergelände gefundenen karolingischen Lots zum Einsatz, welches erfreulicherweise durch die finanzielle Unterstützung des Kuratoriums hergestellt werden konnte.

Im Sommer schließlich konnte die Deckung des Gebäudes mit Reet ausgeführt werden. Das Projektteam wurde hierbei durch den Archäotechniker Eckhard Czarnowski unterstützt und angeleitet, so dass nach einer Einarbeitungszeit authentische Weidenrutenbindungen mit Hanfschnüren zur Befestigung der Reetbündel eingesetzt werden konnten.

Die letzte Bauphase im Herbst war geprägt von der Ausfachung der Lehmflechtwerkwände, der Herstellung der Eingangssituation sowie des Stampflehmbodens und der besonders aufwändigen Fertigung der Türen und Fenster aus Eichenholz. Im Falle der Letztgenannten mussten zwei weitere Traubeneichen gefällt und die Bohlen aus dem Stamm gespalten bzw. gebeilt werden.

Zur Zeit (Stand Januar 2017) befindet sich das Haus noch in einer letzten Trocknungsphase, da der Lehmfußboden noch nicht vollständig abgetrocknet ist. Es ist davon auszugehen, dass das Haus als Werkstatt eines Knochenschnitzers aber bereits zum Saisonstart Ende März in Betrieb genommen werden kann.

Zwar steht eine detaillierte Auswertung der Forschungsergebnisse noch aus, doch zeichnet sich bereits jetzt eine ganze Reihe interessanter Erkenntnisse ab. Sei es nun zur tatsächlichen Größe der benötigten Baugrube, seien es neue Informationen zur Konstruktionsweise der Holzbohrer oder Erfahrungswerte in Bezug auf jahreszeitlich bedingte Bauzeitenpläne – in jedem Fall kann eine positive, erste Zwischenbilanz für dieses neue Forschungsprojekt am Freilichtlabor Lauresham gezogen werden.    

 

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